Wo ist der Weg?

Das Labyrinth

Heute war einiges los im Wald: Auf einmal zeigten sich eher tropische Tiere: Eine Giraffe wanderte ruhig vorbei, eine Löwin hatte sich einen Felsen ausgesucht, Zebras grasten auf einer üppigen Lichtung.

Wieder übernahm der Weg die Führung über meine Füße, am Rosenbeet vorbei, über die Brücke des Teiches zu einer riesigen Wiese in hellem Frühlingsgrün, die mit Löwenzahn und Wiesenschaumkraut übersät war.

Inmitten dieser Wiese stand ein riesiger Kreis aus einer dicht bewachsenen dunkelgrünen Koniferenhecke. Neugierig trat ich näher und sah, dass es eine Öffnung gab. Dieses Mal ließ der Weg mich allein. Ich betrat das Dickicht, rechts und links die hohe Hecke, bis der Weg eine Biegung nach links machte: Ich war in einem Labyrinth gelandet. Immer weiter, immer tiefer hinein, mal links, mal rechts herum, mal schien der Weg zu Ende zu sein um dann wieder neu nach der nächsten Kurve weiter zu gehen. Alles sah gleich aus, wenig Licht, immer weiter gehen, irgendwo wird wohl eine Mitte sein, dachte ich.

Und da war sie, die Mitte. Ein kleiner, kreisrunder Platz, in dessen Mitte eine Fantasiegestalt saß, wie in riesige Flügel eingeschlossen. So etwas hatte ich noch nie gesehen: die Flügel dunkel violett gefleckt, unbeweglich. Ein Drache? Eine Fledermaus? Drachenkrallen legten sich auf meine Schulter, nicht grob sondern mit einer leichten Zärtlichkeit, die ich nicht so erwartet hatte. Nichts ist wie es scheint.

„Was machst du hier? Wer bist du?“ Die Antwort dieses Wesens entstand in mir wie ein Hauch „Ich bin hier für dich da. Du kannst alles, was du loswerden möchtest, hier lassen, mir vor die Füße legen.“

Plötzlich hielt ich ein dickes Paket in meiner Hand und legte dies vor seinen Füßen ab. Die Gestalt nickte und ich dankte ihr. Die hohe Hecke öffnete sich und entließ mich in den Garten.