Leuchten

Ein sonniger Frühlingsmorgen. Ich bin auf dem Weg zur Bahnhofsbuchhandlung um eine bestimmte Zeitschrift zu kaufen. Es gibt sie nicht.

Ich gehe zu meinem Auto, dass ich vor dem Bahnhof geparkt hatte. Ich schloss die Tür auf und wollte schon einsteigen, als ein Mann auf mich zukam, den ich eindeutig als Stadtstreicher einordnen würde: Ungepflegt, die Gesichtshaut trocken, die Nasenspitze gerötet, die Hände in halben Handschuhen versteckt, in einen dicken Parka eingepackt.

„Was will der denn?“ dachte ich, keine sehr freundlichen Gedanken…

„Hätten Sie vielleicht mal 50 Cent für mich, ich habe heute Morgen noch keinen Kaffee gehabt.“

Mir fiel auf, dass es zwar sonnig, aber tatsächlich doch recht kalt war. Irgendwie hatte ich Mitgefühl, und was soll’s… Ich stieg wieder aus, schloss das Auto, kramt meine Geldbörse heraus. Sämtliche Warngedanken gingen mir durch den Kopf…“pass bloß auf, der klaut die gleich die ganze Börse, komm ihm nicht zu nah, das mache ich sonst nie“. War es die Sonne, das Licht, der leere Bahnhofsplatz?

Ich kramte einen Euro heraus und gab ihm die Münze. Er bedankte sich und sagte ganz einfach: „ Ich habe auch etwas für Sie“.

Und wieder mein Gedanken- Programm: „Was kann das schon sein, was macht er jetzt, was kann der mir schon geben?“

Er zog ein vierfach zusammengefaltetes dünnes gelbes Papier heraus, öffnete es mit seinen ungepflegten Fingern und erklärte: „Gestern war ich da oben und schaute zu, wie die Wiese mit all den schönen Frühlingsblumen gemäht wurde. Das tat mir so leid und ich schaute, was dort zu finden war. Und ich fand diese vierblätterigen Kleeblätter. Ich möchte Ihnen eins davon schenken.“

Ich war beschämt, schämte mich für meine abschätzigen Gedanken und war für Tage danach reich beschenkt.